Arbeit und Leben nachhaltig gestalten

Wenn der Job toxisch wird

„Toxisch“ bringt man normalerweise mit der Chemie oder Pharmakologie in Verbindung. Das sind beispielsweise Stoffe und Substanzen, die auf unseren Körper einwirken oder von ihm aufgenommen werden und ihn vergiften. Gleiches gilt für andere Faktoren, die auf uns einwirken und sich als schädlich erweisen: die wirtschaftliche oder soziale Lebenssituation, der Freundeskreis, familiäre Konstellationen und selbstverständlich, Beziehungen. Gerade mit den beiden Letzteren hat ein Arbeitsverhältnis nicht selten viel gemeinsam.

Wie in der Familie oder in einer Beziehung nehmen wir auch dort eine Rolle ein; neben der, die uns durch unsere Position zugewiesen wurde, nicht selten eine, die wir unbewusst adaptieren oder in die wir uns von anderen hineindrängen lassen. Wenn das etwas ist, mit dem wir nicht glücklich sind oder uns damit nicht zumindest arrangieren können, wird das früher oder später negative Auswirkungen haben. Oft manifestieren sie diese lange nicht einmal sichtbar. Wie ein langsam wirkendes Gift entfalten sie mit der Zeit ihre Wirkung.


Schlechte Führungsstile sind keine Seltenheit

Für viele Menschen fallen die Freiheitsgrade und Entfaltungsräume in ihren Jobs ohnehin eher bescheiden aus. Sie sind gezwungen, die Erwartungen der Vorgesetzten zu erfüllen, müssen parallel ihre Position innerhalb der formellen wie informellen Hierarchie finden und zuletzt auch mit ihren Kollegen und Kolleginnen bestmöglich zurechtzukommen. Dabei geht es immer wieder um die Fragen, wo stehe ich, wo sehe ich mich selber oder würde mich gerne sehen und wo sehen mich die anderen? Die Gemeinsamkeiten zu familiären Konstellationen und Beziehungen liegen auf der Hand: Auch innerhalb der Familie existiert eine Hierarchie. Als Kinder und Heranwachsende ringen wir lange darum, Freiräume für uns zu beanspruchen und auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Manchmal gelingt dies nie vollumfänglich; schon deshalb nicht, weil die Eltern ihre gewohnte Rolle nie ganz aufgeben und immer wieder als mahnender Fürsorger auftreten. Das empfinden wir in manchen Situationen als „übergriffig“ – selbst wenn es gut gemeint ist.

Auf der Arbeit ist die aber noch eine ganz andere Sache. Wer hier übergriffig agiert, nimmt sich Freiheiten heraus, die auf unsere Kosten gehen. Menschen von oben herab zu behandeln, verfolgt den Zweck, die eigene Position zu erhöhen. Einige Vorgesetzte versuchen damit, ihre Stellung zu stärken. Das ist kein guter Führungsstil, kommt in der Praxis allerdings oft genug vor. In einigen Fällen passiert das mitunter unbewusst. Möglicherweise merken sie überhaupt nicht, wie sie auftreten und welche Auswirkungen das auf ihre Untergebenen und das Arbeitsklima haben kann. Wieder andere setzen diese Top-Down-Methode eines „strengen Elternteils“ ein, weil sie von ihr als Führungsstil überzeugt sind. Vielleicht sind sie selbst früher durch eine ähnliche Schule gegangen und kennen es nicht anders. In manchen Situationen tritt dieses Verhalten in Kombination mit dem „lobenden Elternteil“ auf. Das hat einen stark manipulativen Charakter und dient zur Durchsetzung des eigenen Willens eingesetzt, indem gezielt in die eine oder andere Rolle gewechselt wird.


Freiheiten müssen oft erkämpft werden

Was und wie viel man an solchen Zuständen oder Mustern als Mitarbeiter verändern kann, hängt immer von der Situation ab. Bei Vorgesetzten, die das eher unbewusst machen oder vielleicht eigene Unsicherheiten kompensieren, kann ein offenes Gespräch möglicherweise etwas zum Besseren verändern. Den richtigen Zeitpunkt für solch ein Gespräch zu finden, ist aber eine Kunst für sich. Manchmal hilft der Zufall, beispielsweise, wenn der eigene Vertrag sich Ende nähert und der Chef oder die Chefin ihn gerne verlängern würden. Suchen Vorgesetzte in dem Fall ein informelles Gespräch, um von ihrem Mitarbeiter oder ihrer Mitarbeiterin ein Feedback zu erhalten, wie sie die Zeit bisher empfunden haben, kann das ein guter Augenblick sein. Dennoch bleibt es schwierig. Den Spiegel vorgehalten, bekommt schließlich keiner gerne.

Es geht auch direkter, gleich konkret und zeitnah den Vorgesetzten ansprechen. Ein Beispiel: Die Unsitte, sich Siezen zu lassen, Untergebene aber zu Duzen, ist leider immer noch nicht ausgestorben. Das setzt Menschen in mehrfacher Hinsicht herab, als wären sie einerseits Kinder, denen die Einsicht in manche Dinge fehlt und als wäre es gar nicht nötig, ihnen die Achtung zukommen zu lassen, die sie schon formal-juristisch verdienen. Das unmittelbar anzusprechen, wenn es mehr als ein Versehen war, kann ein Weg sein. Vielleicht geht dem Chef oder Chefin ein Licht und es ändert sich etwas. Es kann jedoch auch zum Eigentor werden und das Verhältnis nimmt dauerhaft schaden. Über solche Risiken und die möglichen Folgen sollte man sich besser im Vorhinein bewusst sein.


Manipulieren oder manipulieren lassen

Eine weitere toxische Facette auf der Arbeit, die an das Beziehungsverhalten erinnert, ist das Spiel: „Wer manipuliert wen am besten?“ Manipulation in Beziehungen ist nicht selten. In allen Beziehungen verfolgen Menschen auch Eigeninteressen. Oft gleichen sich diese an und es entwickeln sich tragfähige Kompromisse. Wenn das nicht gelingt, kann ein wenig Manipulation helfen. Das ist nicht immer gleich negativ besetzt. Manchmal werden wir auch zu unseren Gunsten manipuliert, beispielsweise, um uns zu einem gesünderen Essverhalten zu bewegen oder regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Geht es uns gut und bleiben wir gesund, kommt das auch der Beziehung zugute und der Partner oder Partnerin hat gleichfalls etwas davon.

Wer uns auf der Arbeit manipuliert, hat aber meist ausschließlich seine Eigeninteressen im Sinn. Das kann durchaus subtil beginnen, beispielsweise Einladungen zum Mittagessen, um uns zugänglich zu machen, wenn jemand sich „Liebkind“ machen oder sich die Solidarität von Kollegen sichern möchte, die ihm bei einem anstehenden Konflikt beistehen sollen. Menschen, die schlecht Nein-sagen können, sind oft besonders anfällig für Manipulationen. Ist jemand ein paar Mal nett, bekommen sie schnell ein schlechtes Gewissen, wenn sie gebeten werden, eine extra Schicht zu übernehmen oder einem Kollegen Arbeit abzunehmen, die er aus irgendwelchen Gründen nicht bewältigt bekommen hat. Das kann schnell eine Eigendynamik annehmen und plötzlich ist man der Wasserträger für andere.

Aber natürlich ist nicht gleich jeder unser „Feind“, der uns in der Pause einen Kaffee ausgibt und überall Verschwörungen wittern, ist nicht gesund. Wichtig ist, wachsam zu bleiben und nicht sehenden Auges in Situationen zu schlittern, die sich vollständig der Kontrolle erziehen und im schlimmsten Falle das Arbeitsumfeld so vergiften, dass es toxisch wird. Ist es bereits passiert, sollte nicht zu lange gewartet werden, um solche Zustände anzugehen. Wird das Toxische über eine lange Zeit zur Normalität, wird kein Verständnis zu erwarten sind, wenn plötzlich aufbegehrt wird. Das hat dann eher die Qualität vom Elefanten, der im Porzellanladen Amok läuft. Wehret den Anfängen, war deshalb schon immer ein guter Rat

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